2010. Südafrika. Die deutsche Fußballnationalmannschaft spielt um den Weltmeistertitel. An einem freien Tag in Kapstadt beschließen wir mit drei Jungs ein Trauma zu besiegen! Oder zu besiegeln? Die Gewässer an der Südspitze des afrikanischen Kontinent gelten als die haireichsten der Welt. Ein triftiger Grund, dort mal ins Wasser zu springen, allerdings nicht ohne Käfig.

Vorab: Die Reise liegt knapp 5 Jahre zurück. Eine Zeit vor Go-Pro und anderen wasserdichten Actioncams, an die damals noch kein Durchschnittstourist gedacht hat. Heute ist das anders, früher leider nicht. Time is running. Es hat den Besuch unter Wasser nicht geschmälert. An das, was ich dort gesehen habe, denke ich noch heute mit Freude zurück. Aber chronologisch:

Früh morgens starten wir reichlich verkatert in Kapstadt und benötigen mit dem Mietwagen ca. 2 Stunden für die 170 km in das verschlafende Fischernest Gansbaai. Gansbaai liegt südöstlich von Kapstadt in der Provinz Westkap an der Walker Bay. Vorgelagert im Meer liegen die Inseln Dyer Island und Geyser Island. Diese Inseln beheimaten eine Seebärenkolonie mit ca. 50.000 Tieren und zahlreiche Brillenpinguine.

Während Seebären und Pinguine jagen, werden sie in den steil abfallenden Gewässern vor den Inseln selber zu Gejagten. Diesen Bereich nennt man Shark Alley, denn dort soll es das größte Vorkommen von weißen Haien weltweit geben. Gansbaai nennt sich selbst tourismuswirksam “Big 2 Town”, denn neben weißen Haien sind auch Wale in der Saison regelmäßig anzutreffen. Nicht der langweiligste Platz auf der Erde. Der Ort lebt vom Haitourismus und rund um den kleinen Hafen haben sich ca. ein dutzend Anbieter etabliert. Bereits im Vorfeld haben wir uns auf Grund von Berichten im Internet für Shark Diving Unlimited entschieden. Die Wahl haben wir nicht bereut, aber einen Vergleich kann ich nicht liefern.

Angekommen in dem kleinen Bungalow in Wassernähe, betreten wir die mit Unterwasserbildern geschmückten Räumlichkeiten. Gereicht werden Snacks, sowie Kaffee und Tee. Insgesamt geht es auffällig entspannt zu. Irgendwann tragen wir uns in eine Liste ein, bekommen eine kurze Einweisung und los geht’s. Unser Ausflugsschiff ist stark motorisiert und bietet ausreichend Platz für die Crew und die Mitreisenden aus aller Herren Länder. Schnell bewegen wir uns aufs Meer, es wackelt beachtlich doch irgendwas anderes kitzelt in meiner Nase. Ein Speisfass mit einer stinkenden Miege aus Blut, Eingeweiden und Thunfischköpfen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die sensiblen Geruchsorgane der Tiere darauf reagieren. Nach 20 minütiger Fahrt treibt mitten im Ozean an zwei Bojen ein Käfig. Absolut unheimlich. Die Küste ist endlos entfernt und der Ozean wirkt gruselig beim Blick durch den Käfig, der langsam am Boot vertäut wird.

Dann geht eigentlich alles ganz schnell, Neoprenanzug an, Deckel auf und ohne viel nachzudenken springe ich in den Käfig. Der Blick nach vorne: alles blau. Der Blick nach links und rechts: alles blau. Der Blick nach unten: alles tiefblau. “Alter!”, denke ich mir, “wenn der Käfig untergeht…”. Und während ich mich so mit dem Käfig und dem Blick nach unten beschäftige und mich frage, ob das alles klug war, geht die Kinovorstellung schon los.

 

Der weiße Hai lässt sich ausschließlich in Superlativen beschreiben. Wie aus dem Nichts ist er plötzlich da. Geprägt durch die Spielfilme von Steven Spielberg machen sich kurz Ängste breit, doch schnell bemerke ich, dass der König der Meere gar keine Bestie ist. Majestätisch kreist er um den Käfig. Ich spüre, dass der Hai mich wahrnimmt, allerdings interessiert er sich ausschließlich für den vor uns schwimmenden Thunfischkopf und die Seebärenattrappe. Schon im Wasser bin ich der glücklichste Mensch der Welt. Auge in Auge mit dem weißen Hai.

Das war ein Kindheitstraum, den man sich in Südafrika für 1350 ZAR erfüllen kann. Umgerechnet sind das knapp 130 Euro. Nicht billig, aber für dieses einmalige Erlebnis allemal eine sinnvolle Investition. Insgesamt beglücken uns knapp ein halbes Dutzend weiße Haie mit ihrer Anwesenheit, der größte ist ein ca. 4,5 Meter großes, weibliches Exemplar. Weiße Haie strotzen vor Kraft, sie bewegen sich im Wasser elegant und tasten umso kraftvoller nach ihrer Beute. Die Haie sieht man im Ozean schwer kommen, auf einmal sind sie da und ebenso schnell wieder weg. Sie erinnern an Torpedos, wenn sie sich von Vorne nähern. Unbeschreiblich.

Irgendwann tickt mir jemand von oben auf den Kopf. Rauskommen! 25 Minuten sind um. “Will der mich verarschen!”, denke ich. Aber die Kumpels auf dem Boot bestätigen den Zeitraum. Ich hätte maximal auf 10 Minuten getippt. Die Zeit verging wie im Flug.  Beim Aussteigen aus dem Käfig überlege ich mir kurz, was ein Fehltritt wohl für Folgen hätte. Jetzt sind die Anderen an der Reihe. Schön ist, dass man die Haie auch vom Boot aus sehr gut erkennen kann. Das Wasser ist klar, was perfekte Beobachtungsmöglichkeiten bietet. Aber unter Wasser, im Element des weißen Haies, war es nochmal spannender.

Einige Mitreisende denken auch an die kleinen Fische, die sich um das Boot tummeln und füttern diese bereitwillig mit ihrem Frühstück. Der Seegang ist nicht zu unterschätzen. Auf dem Weg zurück in den Hafen zeigen uns noch zwei Buckelwale ihre Fluken und sorgen für den krönenden Abschluss eines zu 100% gelungenen Tagesausflug. Am nächsten Tag besiegt Deutschland Argentinien mit 4:0 und die Reise geht noch ein bisschen weiter.

Der Besuch bei den weißen Haien war bis dahin mit Sicherheit mein spannendstes  Erlebnis und rangiert auch fünf Jahre später noch ganz weit oben in der persönlichen Rangliste. Unvergessliche Momente, die ich mit Karla und Gordon während des WM Besuches 2010 erlebt habe. Bafana Bafana!