Citytrip: Ein Spaziergang durch die Hansestadt Bremen

Städtereisen liegen im Trend, die meisten gehen nach Berlin, Hamburg und München. Auch Dresden und Leipzig ziehen, Asiaten fahren in Deutschland noch Heidelberg an, Deutsche mögen Paris, London und ähnliches. Aber warum weit reisen, wenn Gutes so nah liegt. Bremen ist ein tolles Ziel für eine Tages- oder Wochenendreise, genau deswegen bin ich gestern mit dem Zug von Bochum aus dorthin gefahren:

Startpunkt HBF

Startpunkt HBF

In Deutschland kann man sich auf vieles verlassen, die Deutsche Bahn würde ich jetzt nicht bedingungslos dazu zählen. Ich erreiche Bremen ein bisschen später als geplant. Normalerweise benötigt man für die Anreise aus dem Ruhrgebiet knapp zwei Stunden. Zwei Stunden Fahrt im IC kann man als kurzweilig bezeichnen, zudem bietet die Bahn ausreichend Lektüre und skurrile Mitreisende lassen sich auch gut beobachten. Trotz Verspätung ist die Anreise ein klarer Punkt für die Bahn, ausgeruht betrete ich den Bahnhosvorplatz und blicke zurück auf die interessante Bahnhofsfassade. Diese wurde im Jahr 2012 als die Schönste in der ganzen Bundesrepublik gewählt.

Vom Bahnhof aus startet der Spaziergang einfach geradeaus in Richtung City, das Nahumfeld des Bahnhofs ist geprägt von billigen Ladenlokalen und würde jetzt erstmal keinen Preis gewinnen, dafür kann man sich günstig verpflegen. Nach 3 Minuten Fußweg erreicht man den ersten Fixpunkt des Spaziergangs:

Mühle am Wall

Mühle am Wall

Stop 1 – die Mühle am Wall (5 Min vom Startpunkt / 5 Min Gesamt)

Kommen Reisende erstmals vom Bahnhof aus in die Bremer Innenstadt, überrascht sie der Anblick der großen, rund 100 Jahre alten Herdentorswallmühle inmitten der City. Eingebettet in ein Meer aus saisonalen Blumen, ist die Mühle in den Wallanlagen eine der meist fotografierten Sehenswürdigkeiten der Stadt. Wo bis 1950 noch Mehl gemahlen wurde, befindet sich heute ein Café und es besteht die Möglichkeit, dass Bauwerk zu besichtigen. Insgesamt fünf Windmühlen aus der Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts sind in Bremen bis heute erhalten geblieben. Eine von ihnen ist die Mühle in den Wallanlagen, der alten Bremer Stadtbefestigung, deren Mauern 1802 geschliffen und in einen Park umgestaltet wurden. Obwohl sie im 19. Jahrhundert zweimal völlig nieder brannte, wurde sie immer wieder aufgebaut. Die Wallanlagen werden wir zu einem späteren Zeitpunkt nochmal überqueren. Vorerst setzen wir den Spaziergang fort und gelangen in Bremens Innenstadt, in der sich die nächsten Sehnswürdigkeiten quasi tummeln:

Das Bremer Rathaus

Das Bremer Rathaus

Stop 2 – das Bremer Rathaus (7 Min von Stop 1 / 12 Min Gesamt)

Das Bremer Rathaus ist rund 600 Jahre und steht auf der Nordostseite des Bremer Marktplatzes. Einzigartigkeit erlangt es durch den Baustil, es zählt zu den bedeutendsten gotischen Bauwerken Europas und ist seit dem Jahr 2004 gemeinsam mit dem Bremer Roland UNESCO Weltkulturerbe der Menschlichkeit. Im Rathaus sitzt seit über 600 Jahren der Senat der Stadt sowie der Bürgermeister. Vor 400 Jahren beschloss der Rat der Stadt, die Fassade zu erneuern, wodurch die neu gestaltete Renaissacefassade entstand, die zahlreiche Figuren, Symbole und Verzierungen schmücken, alles in den Stein gehauene Geschichten.

Das nächste Ziel steht direkt vor dem Rathaus und kommt auf den ersten Blick etwas unscheinbar daher:

Der Bremer Roland

Der Bremer Roland

Stop 3 – der Bremer Roland (Wächter für Recht und Freiheit)

Mit dem Rathaus entstand 1404 auch der Bremer Roland. Rolandstatuen sind in Norddeutschland weit verbreitet, die Bremer gilt als eine der Schönsten. Die steinerne Figur symbolisiert seit jeher die Freiheit des Stadtstaates Bremen und ist knapp über 10 Meter hoch. Die Geschichte um den Bremer Roland finde ich ziemlich interessant, wesewegen ich euch die Infos, die die Stadt Bremen im Internet vorhält, gerne noch präsentieren möchte:

Steckbrief:

  • 1404 errichtet (sein hölzerner Vorgänger wurde 1366 von den Knechten des Erzbischofs verbrannt)
  • Größe: 5,5 Meter (Vom Sockel bis zum Baldachin 10,21 Meter)
  • Ein ritterlicher Gentleman seiner Zeit
  • Halblanges gewelltes Haar
  • Kleidung und Ausrüstung: Lederwams, Kettenhemd, Gürtel, Schwert und Schild
  • Sein Kaiserwappen verdankt er gefälschten Kaiserurkunden der Bürger
  • Die Umschrift des Wappens lautet:
    “Vryheit do ik yu openbar
    de karl und mennich vorst vorwar
    desser stede ghegheven hat,
    des dankt gode is min radt.”
  • Übersetzung und Erklärung: „Freiheit verkündige ich euch, die Karl und mancher andere Fürst, fürwahr, dieser Stadt gegeben hat. Dafür dankt Gott, dies ist mein Rat” Die Rede ist von Karl dem Großen, der zusammen mit anderen Fürsten, Bremen zahlreiche Rechte und diverse Privilegien ermöglichte.
  • Abstand seiner spitzen Knie beträgt: Eine Bremer Elle (frühere Maßeinheit)
  • Er blickt zum Dom, dem damaligen Erzbischofssitz
  • Zu seinen Füßen liegt ein “Krüppel” aus der Sage Emma von Lesum

Die Sage Emma von Lesum – eine Kurzfassung
Die verwitwete Gräfin Emma von Lesum galt als fromm und wohltätig. Ihre Herzensgüte war bei den Bürgern bekannt, eine Eigenschaft, die ihren Schwager Herzog Benno von Sachsen zur Sorge um sein Erbe veranlasste.
Einmal sprach die Gräfin zwei Bürgern mehr Weideland für ihr Vieh zu, “soviel ein Mann in einer Stunde umgehen könne”. Ihr listiger Schwager wählte für diesen Ausmessungsmarsch einen Bettler aus, der sich ohne fremde Hilfe nicht bewegen konnte. Die Gräfin Emma jedoch legte ruhig ihre Hand auf seinen Kopf, betete und forderte ihn auf, es zu versuchen. Das Laufen gelang ihm nicht, aber er kroch. Die Bürger zogen sich enttäuscht zurück und hatten kaum Hoffnung, dass der Bettler eine besonders große Weidefläche “abkriechen” könne. Der “Krüppel” kroch jedoch beständig weiter und am Abend waren sie über das große Gebiet überrascht. Heute noch kennen wir dieses Gebiet als Bürgerweide. Die Bremer haben den “Krüppel” nicht vergessen und ehrten ihn zu Füßen des Rolands.

Lasst euch nicht abschrecken von der ausführlichen Ausführung, aber die Geschichte mit den gefälschten Papieren und dem Krüppel ist zu schön, um sie nicht zu erzählen. Vor Ort reicht auch ein Fotostop und ihr lauft gegenüber des Rathauses in die Böttcherstraße, die nicht zu verfehlen ist.

Die Böttcherstraße

Die Böttcherstraße

Stop 4 – Die Böttcherstraße (3 Min von Stop 3/ 15 Min Gesamt)

Die Böttcherstraße präsentiert sich ihren Besuchern in einer Backstein-Architektur und ist zwischen 1922 und 1931 erbaut worden. Auf 108 Metern zwischen Marktplatz und Weser geben sich hier Kunsthandwerk, Museen, Cafe´s und Souvenirläden die Klinke in die Hand. Hervorzuheben sind sicherlich das Paula Modersohn-Becker Museum, das weltweit erste Haus, das einer Malerin gewidmet worden ist, sowie der Künstlerhof, in dem man seit 1926 Künslern bei der Arbeit zusehen kann: auch heute sitzen noch Glasbläser und Goldschmiede vor den Augen der Passanten und fertigen ihre Kunstgegenstände.

Nach dem Verlassen der Böttcherstaße gelangt man durch eine Unterführung an die Weser. Diese verlässt man am Ende in Richtung rechts. Jetzt gelangt man automatisch zu:

Die Bremer Schlachte

Die Bremer Schlachte

Stop 5 – Bremer Schlachte (5 Min von Stop 4 / 20 Min Gesamt)

Die Schlachte liegt mitten in Bremen und war vor 800 Jahren der Bremer Stadthafen. Hier befindet sich eine Gastromeile mit zahlreichen Kneipen, Bars und Restaurants. Die ziehen mich persönlich gar nicht so an, viel besser finde ich den Flohmarkt, der hier jeden Samstag am Uferkai stattfindet. Der sucht nämlich seinesgleichen. Ein richtig alter Flohmarkt, wenig Händler, alles semiprofessionell auf Decken und alten Tapeziertischen präsentiert, werden hier noch richtig alter Kitsch, Keller- und Dachbodenfünde und vor allem alte Kleidung verkauft. Da muss man nicht wirklich was kaufen, doch die Nähe zur Weser, das Publikum und evetuell ein Matjesbrötchen (nicht vergessen, wir befinden uns in Norddeutschland) runden den Bummel ab. Nicht weit entfernt liegt der nächste Fixpunkt:

Das Schnoorviertel - mittelalterliche Altstadt

Das Schnoorviertel – mittelalterliche Altstadt

Stop 6 – Das Schnoorviertel (5 Min von Stop 5 / 25 Min Gesamt)

Das Schnoorviertel ist der älteste Stadtteil Bremens und besticht durch seine engen und autofreien Gassen, manche sind so eng, dass man mit ausgestreckten Armen beide Seiten berühren kann. Entstanden ist das Schnoorviertel im 13. Jahrhundert, die ältesten heute noch stehenden Gebäude sind im 14. Jahrhundert erbaut worden. Zu der Zeit wohnten im Schnoor hauptsächlich Flussfischer, Handwerker und Gewerbetreibende. Heute beherbergt das mittelalterliche Altstadtquartier kleine Läden, Boutiquen, Kunsthandwerk, Kneipen, Cafés und Restaurants. “Schnoor” ist das niederdeutsche Wort für “Schnur” und beschreibt die eng aneinander gereihten, liebevoll renovierten Bauten.

Das Schnoorviertel ist schon sehr touristisch, lädt aber auf Grund der vielen kleinen Gassen zum schlendern und verweilen ein. Es beherbergt zudem einige kleine Museen und auch die kleine Kirche des ehemaligen Franziskanerkloster ist noch zu besichtigen.

Kunst & Kultur vs. Kiez und Szene

Wer jetzt genug hat von altertümlichen Gebäuden und historischen Vierteln, dem sei gesagt, es kommt noch was. Mit dem Verlassen des Schnoorviertels nähern wir uns langsam einem eher alternativen Stadtteil. Dafür überquert ihr erneut den Wall und lauft an der Kunsthalle Bremen vorbei in Richtung Theater. Die Kunsthalle Bremen hat regelmäßig interessante Ausstellungen und beherbergt nebenher in der Dauerausstellung etliche Werke namhafter Künstler. Mit der Erreichen des Theatervorplatzes erreicht ihr den Bremer Kiez. Stehen vor dem sehenswerten Theatergebäude noch Palmen, die mediterranes Flair versprühen, beginnt dahinter das Leben.

Das Viertel 1/4 - der Bremer Kiez

Das Viertel 1/4 – der Bremer Kiez

Stop 7 – Das Viertel 1/4 (10 Min von Stop 6 / 35 Min Gesamt)

Nicht weit von der Altstadt entfernt liegt der bunteste und lebendigste Stadtteil Bremens: Das Viertel. Das Viertel habe ich durch einen Zufall vor mehr als 10 Jahren zum ersten Mal besucht. Seit dem komme ich regelmäßig wieder. War das Viertel vor einigen Jahren noch ziemlich abgerockt, Arbeiter, Studenten, Linke, Junkies prägten das Straßenbild, hat es sich in den letzten Jahren ziemlich gemausert. Ob ich es besser finde, weiß ich gar nicht so genau. Es ist auf jeden Fall international. Urige Kneipen, trendige Boutiquen, Cafés, günstige Imbissbuden und gute Restaurants, sowie kleine Läden mit breitem Angebot. Das Viertel ist freundlich, offen und alternativ. Ich habe mir über die Jahre ein paar feste Anlaufstellen angeeignet, denn eigentlich fahre ich nicht wegen dem Rathaus und der Schlachte nach Bremen, sondern wegen einem Cafébesuch im Viertel.

Bagel mit Blick

Bagel mit Blick

Das Coffee Corner – Wie das Viertel hat sich auch das Coffee Corner in den letzten Jahren verändert, auch hier nicht zum Schlechten. Vor 10 Jahren war das Café noch ein kleiner Eckladen mit einem Schaufenster in dem es belegte Bagel und eine Tagessuppe gab. Suppe und Bagel haben mich damals überzeugt. Das Konzept hat sich nicht wirklich verändert, die Bagel sind immer noch zu haben, dazu das übliche Angebot von Kuchen und Kaffeespezialitäten. Das Beste am Coffee Corner waren damals wie heute aber die großen Schaufenster auf die belebte Kreuzung Ostertorsteinweg / Sielwall. Bei gutem, wie bei schlechtem Wetter sitzt man hier wie vor einer Kinoleinwand und kann das bunte Treiben im Viertel beobachten. Mittlerweile kann man auch draußen sitzen.

  •  Attitude Skateshop – to come
  • Izmir Dönerladen – to come

Stop 8 – der Bremer Spuckstein (15 Min von Stop 7 / 50 Min Gesamt)

Der Spuckstein

Der Spuckstein

Der “Spuckstein” ist ein unscheinbares dunkles Steinquadrat, das in das Pflaster des Domshofes eingelassen wurde. Seine Geschichte ist umso spannender: Der Stein erinnert an die legendäre Mörderin Gesche Gottfried, die 15 Menschen mit Arsen vergiftete. Er markiert die Stelle, an der ihr am 21. April 1831 der Kopf abgeschlagen wurde. Aus Abscheu über ihre Verbrechen spucken die Bremerinnen und Bremer bis heute gern im Vorbeigehen auf den Stein. Auf jeden Fall mal eine andere Geschichte, bevor wir noch zu einer Hauptattraktion Bremens kommen. Dafür verlasst ihr den Domhof in Richtung Marktplatz und rechts herum um das Rathaus. Dort findet ihr, auf den ersten Blick relativ unscheinbar, den letzten Punkt des Rundgang:

Stop 9 – die Bremer Stadtmusikanten (3 Min von Stop 8 / 53 Min Gesamt)

Eine von vielen Statuen an der Westseite des Bremer Rathauses erinnert an das Märchen der Bremer Stadtmusikanten der Brüder Grimm. Dieses wohl bekannteste bronzene Denkmal der Bremer Stadtmusikanten wurde 1951 von dem Bildhauer Gerhard Marcks angefertigt. Traditionell soll ein Griff an die Vorderbeine des Esels Wünsche wahr werden oder zumindest Besucher Bremens nach Bremen zurückkehren lassen.

Das Märchen berichtet von einem Esel, einem Hund, einer Katze und einem Hahn, die aus Gründen ihres Alters ihren jeweiligen Besitzern nicht mehr nützlich erscheinen und dem Tod geweiht sind. Zunächst einander unbekannt, fliehen die Tiere. Rein zufällig treffen sie aufeinander, um schließlich einer gemeinsam Idee zu folgen: In Bremen Stadtmusikant zu werden. Auf dem Weg nach Bremen verbringen die Tiere eine Nacht im Wald. Dort treffen sie auf ein Haus, in dem sich Räuber niedergelassen haben. Lauthals erschrecken und vertreiben die Tiere die Räuber aus dem Haus, mit dem Erfolg, dort schließlich selbst zu verweilen. Durch den Aufbruch und Zusammenhalt der Tiere gelingt der Schritt in ein neues Leben.

Nur geht es zu Fuß zurück zum Ausgangspunkt. Natürlich sollte man beachten, dass die Zeiten nur die ungefähre Dauer eines Spaziergangs wiedergeben. Verweilen oder Stopps sind nicht mitgerechnet. Insgesamt sollte man mindestens 2,5 Stunden einplanen, je nach Bedarf auch länger. Für Hastige geht es aber auch kürzer.

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